Selbstanzeige abgeschafft?
Am 01.01.2015 sind Neuregelungen in der Abgabenordnung in Kraft getreten, welche erneut zu einer Verschärfung des Rechts der Selbstanzeige geführt haben.
Experten sprechen von einer faktischen Abschaffung der strafbefreienden Selbstanzeige. Und tatsächlich führt eine Vielzahl der durch das Gesetz zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zu Abgabenordnung (Bundesgesetzblatt 1 2014, 2415) eingeführten Modifikationen zu einer Erhöhung der Hürden auf dem Weg zur Erlangung von Straffreiheit durch Abgabe einer Selbstanzeige. Andererseits bringt die Gesetzesnovelle aber auch Erleichterungen mit sich.
Die folgende Auflistung verschafft einen Überblick über die wesentlichen Änderungen und deren praktische Auswirkungen:
Verlängerung des Berichtigungszeitraumes
Eine Selbstanzeige ist unwirksam und kann demnach nicht mehr zur Straffreiheit des Anzeigeerstatters führen, wenn sie unvollständig ist. Zu berichtigen sind sämtliche Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre. Bis zum 31.12.2014 wurde hinsichtlich dieses Vollständigkeitgebotes noch auf die strafrechtliche Verjährung abgestellt. Da eine Steuerhinterziehung, sofern kein besonders schwerer Fall vorliegt, bereits nach fünf Jahren verjährt, kann der Berichtigungszeitraum nunmehr zulasten des Anzeigeerstatters vom Zeitraum der Verfolgungsverjährung abweichen. Zur Erlangung der Straffreiheit hinsichtlich unverjährter Hinterziehungstatbeständen müssen also auch solche Zeiträume berichtigt werden, für die der Täter strafrechtlich nicht mehr belangt werden kann.
Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung
In der bis zum 31.12.2014 gültigen Gesetzesfassung sperrte die Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung gegenüber dem „Täter" die Möglichkeit der Abgabe einer strafbefreiende Selbstanzeige. Der Begriff „Täter" ist nunmehr durch die Formulierung „an der Tat Beteiligten" ersetzt worden. Dies hat zur Folge, dass die Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung gegenüber dem (Haupt)-Täter einer Steuerhinterziehung auch sonstigen an der Tat beteiligten Personen (Gehilfen, Anstifter) die Möglichkeit nimmt, eine Selbstanzeige abzugeben. Umgekehrt sperrt eine Prüfungsanordnung gegenüber einem sonst an der Tat Beteiligten die Straffreiheit für den (Haupt)-Täter.
Diese Ausdehnung des Adressatenkreises einer Prüfungsanordnung kann insbesondere in Unternehmen zu weitreichenden Konsequenzen führen. Denn die Prüfungsanordnung gegenüber einem Unternehmen verhindert die Möglichkeit zur Abgabe einer Selbstanzeige für sämtliche Beteiligte der das Unternehmen begünstigenden Straftat.
Die Neuregelung des Sperrgrundes der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung bringt aber auch eine Verbesserung der Ausgangssituation für den potenziellen Selbstanzeigeerstatter mit sich. Denn die Prüfungsanordnung schließt nur solche Steuerstraftaten von der strafbefreienden Wirkung der Selbstanzeige aus, welche in zeitlicher und sachlicher Hinsicht von der Prüfungsanordnung umfasst sind. Ordnet das Finanzamt also eine steuerliche Prüfung für die Jahre 2011 bis 2013 an, ist eine Selbstanzeige für die Jahre bis 2010 nach wie vor möglich.
Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens
Auch bei diesem Sperrgrund ist im Gesetzestext der Begriff „Täter" durch die Formulierung „an der Tat Beteiligter" ersetzt worden. Es gilt also insofern das zum Sperrgrund der Bekanntgabe einer Prüfungsanordnung Gesagte: Die Bekanntgabe der Einleitung eines Strafverfahrens gegenüber einer an der Steuerhinterziehung beteiligten Person nimmt sämtlichen Tatbeteiligten die Möglichkeit, in den Genuss der Strafbefreiung zu kommen.
Umsatzsteuer- und Lohnsteuernachschau
Dieser neu ins Gesetz eingefügte Sperrgrund schließt die Abgabe einer Selbstanzeige ab dem Zeitpunkt aus, zu welchem ein Amtsträger zu einer Umsatzsteuer- oder Lohnsteuernachschau erschienenen ist. Im Gegensatz zum Sperrgrund der Anordnung einer Außenprüfung ist die Möglichkeit zur Selbstanzeige aber nur bis zur Beendigung der Nachschau suspendiert und lebt danach wieder auf. In einer solchen Konstellation müsste aber besonderes Augenmerk darauf gerichtet werden, ob die Nachschau zu einer Tatentdeckung geführt hat. Denn die Entdeckung einer Steuerstraftat durch die Finanzbehörde ist ein eigenständiger Sperrgrund und führt ebenfalls zum Untergang der Möglichkeit einer Selbstanzeige.
Verkürzungserfolg ab 25.000 €
Bei einem Hinterziehungsvolumen zwischen 25.000 € und 100.000 € tritt Straffreiheit nur noch ein, wenn der Täter neben den hinterzogenen Steuern einen Geldbetrag in Höhe von 10% der hinterzogenen Steuern an die Staatskasse entrichtet. Bewegt sich der Hinterziehungserfolg in einem Bereich über 100.000 € bis zu 1 Million €, fallen Zinsen in Höhe von 15% an. Übersteigt der Hinterziehungsbetrag 1 Million €, werden 20% Zinsen fällig.
Nachzahlungszinsen und Hinterziehungszinsen
Schließlich ist seit dem 01.01.2015 auch die Entrichtung allgemeiner Nachzahlungszinsen sowie der im Falle einer Steuerhinterziehung fällig werdenden Hinterziehungszinsen Voraussetzung zur Erlangung der Straffreiheit.
Fazit
Durch die dargestellte Erstreckung diverser Sperrgründe auf sämtliche an der Tat beteiligte Personen kann die Prüfung, ob für den konkret Beteiligten eine Selbstanzeige überhaupt noch möglich ist, erheblich erschwert werden. Das Erfordernis diverser zusätzlicher Zinszahlungen macht es darüber hinaus erforderlich vorab zu überprüfen, ob ausreichend Liquidität vorhanden ist, um sämtlichen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen.
Aber auch in den Fällen, in welchen eine Berichtigung falscher Steuererklärungen nicht mehr als strafbefreiende Selbstanzeige gewertet werden kann, ist die Abgabe einer Berichtigungserklärung unter Umständen sinnvoll. Denn solche „verunglückten Selbstanzeigen“ wirken in der Regel strafmildernd.
Dieser zugunsten des Steuerpflichtigen zu berücksichtigende Umstand führt nicht selten dazu, dass eine Einstellung des Strafverfahrens gegen Auflage erreicht werden kann, was bei unterlassener Berichtigung und anschließender Aufklärung der Steuerverkürzung durch die Finanzbehörde deutlich fernliegender ist.